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Neuromarketing – das kaufwillige Gehirn

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Wir glauben, stets und ständig völlig bewusst und selbstbestimmt zu handeln. Jede Entscheidung die wir treffen und jede Handlung, die wir ausführen ist immer Resultat unseres freien Willens, oder etwa nicht? Leider – oder zum Glück – nicht! Tatsächlich macht unser Bewusstsein eigentlich permanent Urlaub und greift nur bei wirklich schwierigen, komplexen Problemen ein. Schreiben wir also eine wichtige Mail, oder lösen knifflige Rechenaufgaben im Kopf, übernimmt unser bewusstes Steuersystem. Doch was machen wir die restlichen 95% unserer Zeit? Wie entscheiden und handeln wir eigentlich und was hat das mit unseren Kaufentscheidungen zu tun?

Schnelle Informationsverarbeitung

Statt immer auf 100 Prozent zu laufen, sind wir die meiste Zeit von unserem “automatischen System” abhängig. Unser Gehirn arbeitet schnell, indem es die Umwelt in neuronale Information umwandelt und passende Netzwerke anlegt, auf die, trifft eine passende Information gerade ein, schnell und einfach zurückgegriffen wird. So entstehen Gedanken, Emotionen und die Motivation zu handeln einfach dadurch, dass äußere Einflüsse unsere abgespeicherten Konzepte aktivieren. Aus der Art und Weise wie unser Gehirn funktioniert resultiert auch das sogenannte “Schubladendenken”.

Das “faule” Gehirn

Auch im Alltag handeln wir immer so, wie wir es kennen (gelernt haben), nach Handlungs- und Problemlösungsstrategien, die unser Gehirn im Laufe des Lebens in unser “System” eingepflegt hat. So bedient sich unser “faules” Gehirn immer der schon bestehenden Netzwerke, um zu urteilen und zu entscheiden. Auf der Grundlage, positiver Erfahrungen und den damit ausgebildeten neuronalen Verbindungen, handeln wir, ohne darüber nachdenken zu müssen. Unser Bewusstsein gibt uns dennoch ständig Rückmeldung, dass jene Handlungen auf bewusst getroffenen Entscheidungen basieren, indem es die Wirkungen der Handlungen einfach mit Erwartungen abgleicht.

Dieselben neuronalen Pfade

Je häufiger wir in einer bestimmten Art und Weise handeln, desto stärker wird die zugrunde liegende neuronale Verknüpfung. Spärlich ausgeprägten Verknüpfungen liegen Handlungen und Fähigkeiten zugrunde, die wir selten oder nie zeigen. Wer nie mit links (oder rechts) schreibt, tut sich damit schwer, weil das Gehirn entsprechende neuronale Verbindungen in der rechten (oder linken) Hirnhälfte noch nicht gebildet hat. Eine neue Sprache oder eine Fähigkeit zu lernen, ist besonders zu Anfang ziemlich schwierig. Doch es funktioniert, da sich die Verbindungen bilden und nach und nach “flüssiger” werden. Deshalb ist es wichtig, diese neuronalen “Pfade” so häufig wie möglich zu beschreiten. Besonders wenn unsere geistigen Ressourcen geschwächt sind, so zum Beispiel bei Schlafmangel, nach lange andauernder Anstrengung, Hunger und Erschöpfung, benutzt unser Gehirn mit Vorliebe die “alten”, “schnelleren” Pfade. Wir fallen in alte Handlungsmuster zurück. Bewusste Entscheidungen kosten schließlich “Kraft” und die versucht unser Gehirn möglichst zu sparen.

Produkte in Netzwerke “schleusen”

Unser Gehirn greift also auf bereits bestehende, neuronale Netzwerke zurück, um Entscheidungen zu treffen. Hier greift Neuromarketing an: Irgendwie müssen bestimmte neuronale Netzwerke angelegt, beziehungsweise bestehende mit einem bestimmten Produkt verknüpft werden, damit Konsumenten automatisch auf eben genau dieses Produkt zusteuern und letztendlich kaufen. Das Produkt muss irgendwie Teil des neuronalen Netzwerkes werden. So fühlt sich der Konsument intrinsisch motiviert, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Wenn der Konsum eines bestimmten Produkts im neuronalen Netz etabliert ist, greifen Kunden im Supermarkt bei jedem Einkauf automatisch danach. Sich hingegen bewusst mit sämtlichen Kaufalternativen auseinanderzusetzen und zu entscheiden, ist mit “Anstrengung” verbunden. Diese Produktbindung zu erreichen, ist die Königsdisziplin des Marketing.

Ganz besonderes Augenmerk gilt hier den Emotionen: Sind Erfahrungen emotional “gefärbt”, erinnern wir uns wesentlich leichter. Lässt ein Produkt uns kalt, weil wir schlicht und einfach nichts damit verbinden, wird es einfach übergangen. In Supermarktwerbung werden beispielsweise häufig Themen wie preiswerter Luxus-Genuss, Familie und Feste angesprochen die wiederum komplexe Emotions- und Assoziationsnetze aktivieren, die meist mit positiven Erfahrungen einhergehen.

Das Limbische System

Neuromarketing versucht die Kaufentscheidungen des Kunden zu verstehen, um Werbung oder Imagekampagnen noch gezielter einsetzen zu können. Durch neurobildgebende Verfahren (z.B. Hirnscanner) konnten bereits die relevanten Areale des Gehirns lokalisiert und Prozesse sichtbar gemacht werden, welche bei Konsum- und Kaufentscheidungen der Konsumenten eine Rolle spielen. Auch welche Reize (Farben, Wörter, Gerüche, Geräusche) dazu führen, ob, was und wie viel jemand kauft, wurde über das Neuromarketing untersucht. Die gewonnenen Informationen müssen nur noch strategisch klug angewandt werden.

Have, Do, Be

Das Bild, welches Verbraucher von einem Unternehmen,  einem Produkt oder einer Dienstleistung haben, sollte eine positive Stimmung vermitteln. Emotionen sind der Motor der Kaufentscheidungen. Die Kaufentscheidung selbst wird von Zielen bestimmt. Diese Ziele lassen sich in “Have” – man möchte etwas haben, “Do” – etwas tun und “Be” – etwas oder jemand sein, einteilen. Kunden wenden sich genau den Produkten/Unternehmen zu, die entsprechende, zum Ziel passende Signale senden. Kosmetikartikel setzen auf das “Be”: Viele Frauen wollen dem Schönheitsideal entsprechen (“schön sein”). Werbung für Kosmetikartikel senden eindeutig Signale wie: Dieses Produkt lässt die Haut strahlen, lässt einen “schön” aussehen. Zusätzlich haben entsprechende Produkte Namen, die Assoziationen auslösen wie z.B. Hyaloron-Booster (Hyaloron -> bindet Wasser -> “polstert” die Haut auf) und ansprechende, bestimmte Emotionen auslösende Farben z.B. helles türkis Blau (-> Frische, Erhohlung, Zufriedenheit). Wem hingegen eher Umwelt- und Tierschutz wichtig sind und sich naturverbunden fühlt, für den senden naturfarbene, vegane Naturprodukte die richtigen Signale. Auch wenn es sich in beiden Fällen um den Kauf einer Gesichtscreme handelt. Doch nicht nur die Bindung an ein Produkt, auch Markenbindung ist relevant. Warum sollte ich eine nahezu identische Vollmilchschokolade von einer Marke kaufen, wenn ich auch die günstigere No-Name Schokolade haben kann?

Das richtige Image

Werden Personen mit neuen, fremden Dingen konfrontiert, sind sie zunächst misstrauisch. “Was soll ich von dem Produkt/der Marke halten?” Diese Frage neuer potentieller Kunden wird über Imagemarketing und gezielte Werbung beantwortet. Das Image einer Marke ist das gesamte Bild, also die Wahrnehmung, die die Öffentlichkeit von eben dieser hat. Dazu gehören alle emotional oder bedeutsam aufgeladenen Vorstellungen und Assoziationen, die Personen von einer bestimmten Marke haben. Werbung, die Nutzung bestimmter Symbole, Botschaften und Farben sind einfache Maßnahmen, um ein Image aufzubauen. Auch PR-Kampagnen und Umweltprojekte können das Bild, das Personen von einer Marke haben, verändern.

Marken emotional aufladen

Natürlich ist sind die Produkt- und Dienstleistungsqualität auch besonders wichtig. Noch wichtiger sind allerdings immer die eigenen Motive und Emotionen und ob die Marke direkt an diese anknüpft. Wer mit einer bestimmten Schokoladenmarke positive Emotionen verbindet, oder die Marke durch gezielte Werbung, die eigenen Motive anspricht und scheinbar zur Zielerreichung betragen kann, dann “schmeckt” eine Markenschokolade einfach besser, als eine No-Name Schoki. Das Gleiche gilt z.B. auch für Bier. In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass der unterschiedliche Geschmack unterschiedlicher Biersorten nur (!) durch das Wissen um die Marke zustande kommt. Tatsächlich unterscheiden sich namenhafte Biermarken objektiv geschmacklich voneinander nicht. Trotzdem greifen viele zu einer ganz bestimmten Sorte, einfach weil das Image der Marke sie anspricht (und ein bestimmtes Geschmackserlebnis vorgaukelt).

Neuromarketing setzt also da an, wo traditionelles Marketing nicht ausreicht. So können Unternehmen noch spezifischer die Bedürfnisse ihrer potentiellen Kunden ansprechen und sie da abholen, wo sie sind.

Anne-Marie Schiede
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